Beim Schreiben dieses Beitrags bin ich bereits 6 Monate hier, und mir sind vielerlei Eigenheiten der Kiwis aufgefallen, die mittlerweile schon normal für mich geworden sind. Extreme Sorglosigkeit kann ein Segen, aber auch ein Fluch sein – insbesondere im Arbeitsleben. Fakt ist, dass man sich seltenst auf verbale Vereinbarungen und schon gar nicht auf schriftliche Kommunikation verlassen kann. Wobei man das nicht pauschalisieren kann, aber grundsätzlich gilt: Wenn du von jemandem etwas möchtest, derjenige aber keinerlei Schaden erleidet, wenn er dieser „Verpflichtung“ nicht nachkommt und man auf eine entsprechende Anfrage eine positive Antwort erhältst, heißt das überhaupt nichts. Man muss zwei-, drei-, nein, am Besten fünfmal nachfragen, dann hat man eine Chance, das zu bekommen, was man möchte – und wenn es einfache Dinge sind, wie dem Kollegen Bescheid zu sagen, doch bitte einmal zurückzurufen oder eine E-Mail mit Kontaktdetails zu schicken. Das kann einem sehr auf die Nerven gehen, da das bei meinem Agenten hier genauso läuft und ich immer noch auf eine Antwort bzgl. einer nicht ganz unwichtigen Sache warte. Das scheint auch nicht viel besser zu sein, wenn man ein Privatkunde ist: Als Beispiel wurde mir erzählt, dass ein Tischler, wenn er behauptet drei Tage für eine Sache zu brauchen, gerne mal die doppelte Zeit benötigt und diese dann auch in Rechnung stellt, obwohl er es deutlich schneller hätte machen können. Ich vermute, das Ganze geht mit der lockeren Lebensart der Kiwis einher und als Deutscher kann einem so etwas den letzten Nerv rauben.
In Neuseeland gibt es lediglich [Korrektur Januar 2014, vormals drei] vier Supermarktketten: New World (am teuersten im Vergleich), Countdown (etwas günstiger), Fresh Choice (ungefähr gleichwertig mit Countdown, am wenigsten Filialen verglichen mit den anderen) und Pak’n’Save (am günstigsten). Genauere Vergleiche würden nur langweilen, daher vielleicht nur ein paar Unterschiede zu deutschen Supermärkten: Während man bei uns in der Regel einen Wagenpfand bezahlen muss, gibt es das hier nirgendwo, im Gegenteil: New World bietet an, eine kostenlose Nummer anzurufen, damit der Wagen wieder abgeholt wird, ebenfalls gratis. Außer bei Pak’n’Save werden einem kostenlose Plastiktüten nur so hinterher geworfen, und dabei zeigen die Angestellten auch wenig Motivation, alles effizient zu verpacken…lieber zwei oder drei Tüten mehr mitgeben! Als müllbewusster Mitbürger kräuseln sich mir natürlich alle Fußnägel, insbesondere, wenn abgepacktes (!) Fleisch noch mal in eine Tüte in der Tüte gesteckt wird. Ein weiterer Minuspunkt ist, dass es massiv an Produkten fehlt, die man sonst so aus Europa gewöhnt ist: Soßenfixe, Gemüsebrühe, Fertigklöße usw. – das Ganze erlaubt mir aber immerhin, meine Kochkünste stetig auszuweiten.
Kriminalität existiert natürlich auch hier, aber die oben bereits erwähnte Sorglosigkeit reicht soweit, dass vielerlei Dinge, insbesondere außerhalb der Städte, nicht gesichert sind. So habe ich mich bereits in zwei Hostels aufgehalten, in denen es keine Schlüssel (und auch keine Schließfächer in den Zimmern) gab. Zuerst hatte ich ein ungutes Gefühl dabei, tatsächlich aber hat alles gut geklappt – und wenn man bedenkt, dass in dem ersten Hostel, wo dies der Fall war, bestimmt 20 Leute untergebracht waren, ein Zeugnis davon, dass die meisten (Rucksack-)Reisenden echt vernünftige Leute sind, wobei mir auch schon von der Schattenseite, allerdings in einem anderen Hostel, erzählt wurde. An Orten wie Waiheke Island geht das dann soweit, dass sogar Haustüren der Bewohner einfach nicht abgeschlossen werden (ähnlich wie in manchen Teilen Kanadas) und sogar der Schlüssel in der Zündung gelassen wird, wenn man ein kaltes Eis auf dem Weg zum Strand kauft. Es kann ein schönes Gefühl sein, sich in solchen Maßstäben keine Gedanken mehr machen zu müssen – nur nachlässig darf man nicht werden.